Geschichte des Bühnenbildes
von Laura Keimel
Wie du deine Eltern enttäuscht und über Nacht berühmt wirst: eine Anleitung nach Adolphe Appia!
Willkommen zu diesem Blog Eintrag, in dem ich am Beispiel von Adolphe Appia verdeutliche, wie man am besten seine Eltern enttäuscht und dabei noch berühmt wird!
Eine kurze Information vorweg: über Nacht kam die Berühmtheit gewiss nicht „immer dieses blöde Clickbait“, aber wenn man mal ehrlich zugibt, klingt das schon besser als „Eine Biografie vom Bühnendesigner Adolphe Appia“. Aber keine Sorge, die Überschrift ist nicht komplett geflunkert, nur ein ganz kleines bisschen.
Eigentlich wurde Adolphe Appia wie viele seiner anderen Künstlerkollegen, nämlich erst nach seinem Tod, in 1928 berühmt. Erst in den 1950er und 1960er Jahren haben die Menschen gemerkt, dass die Theorien, welche Appia in seinen Werken verdeutlicht hat, ja doch Sinn ergeben. Tatsächlich sogar um einiges mehr als die traditionellen Theorien die man bis dato für die Gestaltung von Bühnenbildern genutzt hat. Besser spät als nie, würde ich sagen! Appia würde mir da vielleicht widersprechen, immerhin wäre ein bisschen Ruhm und das dazugehörende Gehalt bestimmt ganz nett gewesen, aber dafür ist es jetzt wohl zu spät… Heutzutage wird Appia als Vater des modernen Bühnenbilds und der modernen Bühnengestaltung gefeiert. Der Titel kam ihm aber nicht einfach zugeflogen. Wie bei den meisten Erfolgsgeschichten hängt viel Fleiß und Arbeit damit zusammen und wie es sich gehört: ein paar enttäuschter Eltern, die den eigenen Traum nicht unterstützen.
Appia hatte eine geheime Passion, die nicht ganz den calvinistischen Vorstellungen seiner Eltern entsprach. Doch gegen den Status Quo seines Elternhauses, entschied sich Appia, diese Passion zu verfolgen und Musik in Genf zu studieren. Im zarten Alter von 16 Jahren durfte er nun auch endlich mal ein Theaterstück anschauen, was ihm zuvor von seinen Eltern stets verboten wurde. Es handelte sich um die Aufführung von Charles Gounods „Faust“ und Appia war von ihr absolut enttäuscht. Überraschende Wendung, stimmt’s? Aber Adolphe Appia wäre nicht Adolphe Appia, wenn er es dabei belassen hätte und eine schlechte Kritik hinterlassen hätte. Vielmehr trieb ihn die maßlose Enttäuschung dieser Theatererfahrung dazu, sich vertieft in sein Studium zu schmeißen und den Regisseuren und Bühnenbildnern dieser Welt zu zeigen, wie eine wahre Bühnengestaltung auszusehen hat. Im Rahmen seines Musikstudiums studierte er in den folgenden Jahren sowohl in Paris, Leipzig als auch anschließend in Dresden. Und weil ihm das nicht genug war, folgte darauf gleich noch das zweite Studium des Theaters in Dresden und in Wien. Und weil er gerade eh schon dabei war, hat Appia von 1889 – 1890 noch gleich ein Lehrlingsjahr beim „Vater des Lichts“, Hugo Bähr, drangehangen. Dieser war bekannt für seine Beleuchtungsexperimente in deutschen Theatern. Aber schließlich muss man auch wissen wovon man spricht, wenn man das Theater- und Bühnenbild revolutionieren möchte!
Unter anderem konnte Appia in seiner Studienzeit in Deutschland mehreren Theateraufführungen beiwohnen, unter anderem die Aufführung von Wagners Stück Parsifal in Bayreuth, von dem dieser hellauf begeistert war. Die Musik war klasse, die Verdunkelung des Publikumsraumes mehr als gelungen und das versteckte Orchester versetzte ihn in Euphorie! Aber zu 100% überzeugte ihn das Theaterstück auch wieder nicht. Appia empfand, dass die konventionelle Umsetzung durch das perspektivische Bühnenbild, den außerordentlichen Inhalten, die Wagner thematisierte nicht gerecht wurde. „Selbst ist der Mann!“ dachte sich Appia und fing im Jahre 1891 an, eigene Regiebücher und Bühnenbilder anzufertigen und darauf basierend Theorien zur Bühnenpraxis zu formulieren. Und Fanatiker, wie er war, benannte er sein erstes Werk gleich erstmal nach seinem großen Idol Wagner und betitelte es mit „La mise en scène du Drame Wagnerien“ das 1895 erschien. Eifrig wie er ist sollte auch nur vier Jahre später schon sein Hauptwerk „Die Musik und die Inscenierung“ folgen.
In seinen Werken fordert Appia, dass es nur einen Raum für Zuschauer und Darsteller geben soll, ohne Barrieren, gleichzeitig kritisierte er allerdings auch die Trägheit der Zuschauer gegenüber den Kunstwerken (Theaterstücke) auch hier schrieb er eine Kritik „Wir betrachten Kunst als Luxus, den man uns anbietet. Wie beim Bäcker suchen wir uns das leckerste Stück Torte aus, deswegen sind wohl viele Künstler jetzt Bäcker geworden“.
Außerdem stellte er fest, dass die Musik im Theater den Takt angibt (wortwörtlich). Die Schauspieler sind mit ihren Gesten und Bewegungen, den Klängen untergeordnet, ebenso wie die Zeit, die sie dazu haben. Durch diese Abstimmung zwischen Rhythmik und Schauspiel nimmt die Musik menschliche Gestalt an.
Und weil Appia von seinen eigenen Theorien so überzeugt war, überredet er seinen guten Freund Chamberlain, der Verbindungen zum Bayreuther Festspielhaus hatte, seine Bühnenbilder und Regiebüchern der Frau von Richard Wagner, Cosima, vorzulegen, denn diese führte nach dem Tod von Wagner die Bayreuther Festspiele. Frau Wagner war von den Theorien Appia jedoch gar nicht überzeugt und ließ ihn abblitzen. Bittere Enttäuschung für Appia. Aber dieser ließ sich nicht so leicht unterkriegen! Er gestaltete weiter Bühnenbilder und -räume in ganz Europa, bis er 1903 durch die Gräfin Renée de Bearn die Chance bekam, seine Theorien erstmals in die Tat umzusetzen! Die Aufführungen der Stücke „Manfred – Robert Schuhmann“ und „Carmen – Georges Bizets“ welche von ihm gestaltet und geführt wurden, waren ein riesen Erfolg! Ende gut, alles gut, könnte man jetzt denken aber nichts da, denn zu einem guten Drama gehört doch immer ein erbitterter Rivale, der einem das Leben schwer macht. Mit ganzem Erfolg, denn durch den Maler und Beleuchtungesexperten Mariano Fortuny, sollte es schon sehr bald zur Einstellung der Aufführungen von Appia kommen.
Aber da Appia ein Steh-auf-Männchen war, wie es im Buche steht, ließ er sich auch hiervon nicht unterkriegen. Er freundet sich mit dem Musikpädagogen Emile Jacques-Dalcroze an, in dessen rhythmischen Übungen er großes Potential für das Theater sah.
Appia forderte Übungen, in denen die Inszenierung auf der Musik basiert. Außerdem soll der Bühnenraum die Wahrnehmung der Zuschauer erweitern. 1909/10 entwirft er fieberhaft jeden Tag zwei oder drei Räume, die für die Entfaltung der Rhythmik bestimmt sind.
Dalcroze war nicht von Anfang an so überzeugt von den Ideen Appias und wie dieser diese umzusetzen vermochte, ließ sich jedoch letzten Endes überzeugen und stellte ihn als Berater im Festspielhaus Hellerau ein, welches von Dalcroze als Schule für Rhythmische Gymnastik gegründet wurde. Dort blieb er weiterhin hartnäckig und verbissen und überredete Dalcroze seine Ideen und Vorstellungen umzusetzen.
Und weil die besten Stücke ein Happy End haben, durfte Appia zu guter Letzt doch noch Bühnenbilder für die Stücke Rheingold und Walküre seinen großen Idols Wagner gestalten. (Erst nach dem Tod von Richard Wagner und seiner Frau Cosima wohlgemerkt).